Glossar

0-9
A
Arbeiter- und Soldatenrat
November 1918 Konstituierung in Siegen, Einsetzung durch die konservative Stadtverordneten-Versammlung, bestehend aus 11 Zivilpersonen (zumeist ehemalige Stadtverordnete) und 8 Soldaten, Aufgaben: Herstellung von Ruhe, Ordnung und Sicherheit sowie Versorgung; im Januar 1919 Einstellung seiner Tätigkeit nach der Wahl zur Nationalversammlung
Aurand, Reinard (1874 in Struthütten – )
Steiger, Betriebsführer, ab 1930 NSDAP-Mitglied, 1933-1938 Ortsgruppenleiter in Struthütten, 1934 Stabsführer der SA-Standarte 68, 1935 Bürgermeister von Struthütten, 1945 Internierung und Kontensperre
B
Besatzungsmacht
nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs stand Siegen unter britischer Besatzungsherrschaft; ab 1946 waren auch belgische Militäreinheiten vor Ort; laut den Pariser Verträgen vom Oktober 1954 endete der Besatzungszustand im Mai 1955, die BRD erreichte weitgehende Souveränitätund trat in die NATO ein; Belgier blieben als Bündnispartner bis 1994 in Siegen
Bourwieg, Bruno, Dr. (1865 in Greifenhagen / Pommern – 1944 in Kiel)
1886 Gerichtsreferendar in Stettin, 1889 Tätigkeit in Schleswig, 1892 – 1896 Assessor beim Landratsamt Gelsenkirchen, danach beim Landratsamt Münster tätig, 1900 – 1919 Landrat des Kreises Siegen (freiwilliger Rücktritt), 1920 Antrag auf Versetzung in den Ruhestand
Braine, Major
britischer Besatzungskommandant in Stadt und Kreis Siegen von Mai 1945 bis Mai 1955???
C
Charlottenhütte Niederschelden
1856 Bau von zwei koksbetriebenen Hochöfen, kriegswichtiger Betrieb im Ersten Weltkrieg, 1915 rückte Friedrich Flick in den Vorstand der Hütte auf, 1920 besaß er die Mehrheit der Aktien; in der Folgezeit bedeutende Vergrößerung der Charlottenhütte und Zusammenschluss mit weiteren Werken des Siegerlandes, während des Zweiten Weltkriegs Beschäftigung von Hunderten von Zwangsarbeitern, 1968/69 Stilllegung
D
Deutscher Tag
veranstaltet von völkischen, nationalistischen und paramilitärischen Vereinigungen Anfang der 1920er Jahre in Deutschland, so in Siegen am 14./15. Juni 1924, Schirmherrschaft und Anwesenheit des ehemaligen Weltkriegsgenerals Erich Ludendorff, Einweihung eines Ludendorff-Schachts der Grube Neue Haardt in Weidenau
E
Eiserne Säule
bereits im Januar 1916 durch die Siegener Bürgerschaft und die Bevölkerung der anderen Ämter des Kreises Siegen initiierte, sechs Meter hohe Nagelsäule; jedes Amt erhielt ein Segment, das vor Ort zu „benageln“ war; Spenden-Nägel für 50 Pfennig bis 3 Mark konnten zugunsten der „Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen“ eingeschlagen werden; die aus den einzelnen Teilen zusammengefügte Säule wurde 1920 am Oberen Schloss in Siegen aufgestellt
F
Ferber, Paul (1877 in Geisweid – 1937 Flucht nach Buenos Aires)
jüdischer Kaufmann in Siegen mit einem Geschäft Markt 1, hisste anlässlich des Schützenfestes 1923 als einziger die schwarz-rot-goldene Fahne, sonst war einheitlich schwarz-weiß-rot (Fahne des Kaiserreichs) geflaggt, große Empörung in der Bürgerschaft, Fahne wurde eingeholt, Ferber hatte sich zuvor bei Oberbürgermeister Alfred Fißmer über die Rechtmäßigung seiner Beflaggung erkundigt
Fißmer, Alfred F. (1878 in Hohenlimburg – 1966 in Siegen)
Offizier im Ersten Weltkrieg, 1919 – 1923 Bürgermeister und 1923 – 1945 Oberbürgermeister der Stadt Siegen, sein Antrag auf Aufnahme in die NSDAP wurde 1933 abgelehnt, ab 1937 doch Mitglied der Partei ; Initiator des Baus von Luftschutzräumen, Stollen und Bunkern ab 1933, verantwortlich für Kasernenbau auf drei Bergen in Siegen, 1953 Ehrenbürger von Siegen und Verleihung des Großen Verdienstkreuzes der BRD
Fries, Fritz (1887 in Siegen – 1967 in Garmisch-Patenkirchen)
Schlosser, Klempner, ab 1916 Mitglied der SPD, Soldat im Ersten Weltkrieg, 1918 Sprecher des Soldatenrats in Siegen, 1921 – 1933 Mitglied des Landtags und Parteisekretär im Unterbezirk Siegen-Olpe-Wittgenstein, 1933 mehrmals verhaftet, 1944 Bunkerbeauftragter der Stadt Siegen, 1945 Landrat des Kreises Siegen und danach bis 1949 Regierungspräsident in Arnsberg
Fritze, Georg, ev. Pfarrer (1874 in Magdeburg – 1939 in Köln)
ab 1916 Pfarrer in Köln, forderte Aufgabe der Gegnerschaft der Kirche zur Arbeiterbewegung, SPD-Mitglied, daher „der rote Pfarrer“, im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, mehrfaches Auftreten bei Wahlveranstaltungen in Siegen
G
Giesler, Hermann (1898 in Siegen – 1987 in Düsseldorf)
Kriegsfreiwilliger 1915 – 1918, 1930 Architekt und Keramiker im Allgäu, 1933 Bezirksbaumeister in Sonthofen und Erbauer der dortigen Ordensburg (1936 errichtet), 1937 von Adolf Hitler zum Professor ernannt, beauftragt u. a. mit Umgestaltung von Weimar, Linz und Augsburg, Führer der Baugruppe Giesler im Baltikum 1941, 1942 Leiter der OrganisationTodt-Einsatzgruppen in Russland-Nord und 1944 in Bayern und den Donaugauen, 1945 in amerikanischer Gefangenschaft und Verurteilung in Nürnberg, 1952 vorzeitige Entlassung und ab da Tätigkeit als freier Architekt in Düsseldorf
Giesler, Paul (1895 in Siegen – 1945 in Berchtesgaden)
1912 Architekturstudium TH Darmstadt, 1914 – 1918 Kriegsfreiwilliger, ab 1927 NSDAP-Mitglied, 1929 Leiter der Ortsgruppe Siegen, 1932 Führer der SA-Standarte 130, 1933 Führer der SA-Standarte 68, 1935 Gauleiter von Oldenburg und Ostfriesland, 1939 Teilnahme am Polen- und 1940 am Frankreichfeldzug, 1941 Gauleiter von Westfalen-Süd, 1942 stellvertretender Gauleiter von München und Oberbayern, 1944 Ministerpräsident von Bayern und Gauleiter von München und Oberbayern, in Hitlers Testament als Reichsinnenminister vorgesehen, 1945 Suizid mit Ehefrau
Grünewald, Simon (1870 in Pömbsen – 1939 in New York)
1897 – 1915 Lehrer an der jüdischen Volksschule in Siegen, nach Schließung der Schule wegen Schülermangels Lehrtätigkeit an der Stadtschule am Unteren Schloss, 1930 vorzeitige Pensionierung, bis 1938 Prediger und Kantor der Synagogengemeinde Siegen, 1939 Flucht mit Ehefrau Johanna nach New York, Tod nach Krebsleiden
H
Hoffmann, Walter (1885 in Iserlohn – 1945 Internierungslager Recklinghausen)
1910 Ablegung der zweiten Lehrerprüfung am Lehrerseminar in Hilchenbach, ab 1928 Redner der NSDAP, 1933 hielt er im Siegerland zahlreiche antisemitische Reden, ab 1934 Schulrat in Arnsberg im Bezirk II, , 1945 Entlassung aus dem Schuldienst
I
J
K
Kassel-Bettenhausen
Bestimmungsort für jüdische Frauen aus Siegen, die mit christlichen Ehepartnern verheiratet waren:
Jenny Juncker, geb. Kahn; Cilly Schmidt, geb. Koopmann; Paula Mayer, geb. Schönthal; Anna Brückmann, geb. Meyersohn; Ilse Dörner, geb. Jacobi; Martha Rink, geb. Kogut
Sie wurden dorthin zur Zwangsarbeit überstellt.
Koberzien, Franz (1889 in Berghof – 1966 in Siegen)
Kriminalpolizist, mehrere Vorwürfe, er habe Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter misshandelt und Asoziale ins KZ gebracht, Freispruch aufgrund von Zeugenaussagen, nach 1945 wurde er von der Militärregierung mit der Leitung und Reorganisation der Siegener Kriminalpolizei beauftragt
L
Lutze, Viktor (1892 in Bevergern – 1943 bei Potsdam)
SA-Chef und Nachfolger des 1934 ermordeten Ernst Röhm, zwei Wahlkampfauftritte in Siegen: 1924 in der Bürgergesellschaft und 1932 auf dem Nordplatz vor 10.000 Menschen
M
Merker, Herbert Edgar (1901 in Bornstedt/Potsdam – 1963/64 laut Adressbuch wohnhaft in Siegen)
Buchhalter und Kraftfahrer, ab 1925 NSDAP-Mitglied, 1932 SA-Standartenführer und Leiter einer SA-Schule, 1935/36 Führer der SA-Brigade 27, 1936 der Brigade 68, 1938 anlässlich der Einweihung der SA-Dankopfersiedlung in der Winchenbach in Siegen, 1945– 1948 Internierung, danach als Kaufmann in Siegen tätig
Mollat, Georg Friedrich Martin Fürchtegott, Dr. (1863 – 1947)
1906 – 1920 Dr. jur., Syndikus der Industrie- und Handelskammer Siegen, 1910 – 1920 Gerichtsrat, Stadtverordneter der DVP, danach Wegzug nach Berlin
Münchmeyer, Ludwig (1885 in Hoyel – 1947 in Böblingen)
1920 – 1926 Pfarrer auf Borkum, Niederlegung des Amts, ab 1925 Mitglied und Redner der NSDAP, Begründer des „Bäder-Antisemitismus“, ab 1929 zahlreiche Auftritte für die Partei als Redner im Siegerland, dort jeweils angekündigt als Pfarrer auf Borkum
N
O
Ochse, Wilhelm (1873 in Melsungen – 1960 in Siegen)
1931 – 1955 kath. Pfarrer der Marien-Gemeinde in Siegen, im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, 1935 verurteilt vom Sondergericht Dortmund in Siegen „wegen heimtückischer Angriffe auf Staat und Partei“, zu acht Monate Haft verurteilt
Odendahl, Richard (1899 in Struthütten – 1981 in Burbach)
Bergmann, ab 1929 Mitglied der NSDAP, ab 1933 Führer der SA-Standarte 130, Führer des „Rollkommandos Odendahl“, 1948 angeklagt wegen Misshandlungen in mindestens 34 Fällen, vor allem im Todesfall von Emil Denker (Neunkirchen), sieben Jahre Haft, vorzeitige Entlassung
Oetling, Sophie Anna Antonie (1877 in Oldenburg – 1943 in Siegen)
1919 Vorsitzende der Frauengruppe der DNVP, 1923 Gründungsmitglied der NSDAP Ortsgruppe Siegen und des Völkisch-Sozialen-Blocks, ab 1924 Studienrätin am Oberlyzeum Siegen, 1936 vorzeitige Pensionierung
Otto, Heinrich (1893 in Siegen – 1983 in Siegen)
Kriegsteilnehmer, Amputation beider Unterschenkel, 1917 Eintritt in die USPD, Mitglied und Sekretär der Deutschen Friedensgesellschaft, Mitbegründer des „Anderen Deutschland“, ab 1928 Mitglied der KPD und tätig in verschiedenen Funktionen in der Partei bis zu deren Verbot, mehrfach verhaftet, 1945 – 1947 Parteisekretär der KPD, 1946 Ernennung zum Landrat durch die Militärregierung und Mitglied des NRW-Landtags, bis 1951 Arbeitsdirektor der Hüttenwerke Geisweid, Ausschluss aus der KPD wegen innerer Querelen
P
Q
R
Reichsgericht Leipzig
Januar 1925 Prozess gegen 15 Mitglieder der KPD aus dem Siegerland „wegen Verbrechens gegen das Gesetz zum Schutz der Republik … und der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“
S
Schreck, Julius (1898 in München – 1936 in München)
nach dem Ersten Weltkrieg Mitglied verschiedener Freikorps, u.a. der Brigade Erhardt, Fahrer und Leibwächter von Adolf Hitler, Mitbegründer der SS und SS-Oberführer bzw. SS-Brigadeführer, Errichtung eines Denkmals für den Verstorbenen in Siegen im Oktober 1937 anlässlich „Tages der Siegerländer SS“ in der Sandstraße (1933-1945 Adolf-Hitler-Straße)
Siegerländer National-Zeitung
Amtliches Organ der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei für die Kreise Siegen-Stadt, – Land und Wittgenstein, erschienen 1931 – 1943, ab 1. April 1943 vereinigt mit der Siegener Zeitung, begründet von Richard Manderbach
Sondergericht Dortmund
Einrichtung beim Landgericht Dortmund 1933, Verhandlung politischer Fälle im Abstand einiger Monate am Amts- und Landgericht Siegen am Unteren Schloss, Vorsitzender Richter war Dr. Ernst Bruno Eckardt (1880-1945), der bekannteste Fall war der gegen den Siegener Pfarrer Wilhelm Ochse 1937 „wegen heimtückischer Angriffe auf Staat und Partei“, er wurde zu acht Monaten Gefängnis verurteilt
Steins, Bernhard
Verleger und Schriftleiter des Sieg-Rheinischen Volksblatts (1890 – 1941), Mitglied der Zentrums-Partei, 1933/34 mehrfach in „Schutzhaft“, zahlreiche Erscheinungsverbote der Zeitung während der NS-Zeit
Strasser, Gregor (1892 in Geisenfeld – 1934 Berlin)
ab 1921 Mitglied der NSDAP, ab 1928 Reichspropagandaleiter, im Zuge des „Röhm-Putschs“ am 30. Juni 1934 ermordet, zwei Auftritte in Siegen: 1924 in der Bürgergesellschaft und 1932 auf dem Nordplatz vor 10.000 Menschen
Synagoge Siegen (1904 erbaut – am 10. November 1938 in Brand gesetzt)
Bauentwurf stammt vom Kgl. Bauinspektor Eduard Fürstenau aus Berlin-Steglitz, Bauleitung hatte der Architekt Hermann Giesler aus Siegen, 1940 Bau eines Luftschutzbunkers auf den Grundmauern der Synagoge, der heute das Aktive Museum Südwestfalen beherbergt, 1948 Prozess gegen die Brandstifter
T
Theresienstadt, Ghetto
ab 1941 Sammel- und Durchgangslager für Juden, am 27. Juli 1942 Zielort des zweiten Transports von älteren Jüdinnen und Juden aus den Kreisen Siegen und Wittgenstein („Altersghetto“), Transitlager für die großen Vernichtungslager, vor allem für Auschwitz
Tumulte und Plünderungen
September 1921 Zug von Plünderern von Weidenau nach Siegen, Plünderung zahlloser Geschäfte und Läden, in der Siegener Oberstadt waren vor allem Läden jüdischer Eigentümer das Ziel, Schüsse der Polizei in die Menge, zahlreiche Schwerverletzte, 40 – 50 Festnahmen, im März 1922 Prozess in Arnsberg gegen die Drahtzieher und Mitläufer
U
V
W
X
Y
Z
Zamość
Stadt in Südpolen, am 28. April 1942 Zielort der ersten Deportation jüdischer Menschen aus den Kreisen Siegen und Wittgenstein; in der Nähe befanden sich die Vernichtungslager Sobibor, Belzec und Majdanek. Insgesamt wurden ca. 800 Menschen aus dem Regierungsbezirk Arnsberg dorthin verbracht und ermordet.